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  • AutorenbildK. Werner

Der Reisende - Eine Wiederentdeckung

1938. Eine Jahreszahl. Eine Bedeutung. Ein Schatten, der über Europa gefallen ist. Das Manuskript von "Der Reisende" stammt aus diesem Jahr. Geschrieben von einem Juden. Ulrich Alexander Boschwitz. Was diese zum Teil autobiografisch angehauchte Erzählung zu bieten hat erfährst du in diesem Beitrag.

Alles beginnt relativ harmlos. Ein Gespräch zweier Geschäftsmänner. Trotzdem: Disharmonie klingt an. Streit. Misstrauen. Verachtung. Otto Silbermann ist Geschäftsmann und Jude. Seinen Geschäftspartner Becker kennt er aus dem Krieg. Sie waren gemeinsam an der Front. Kämpften. Für Deutschland. Haben überlebt.


Die unangenehme Stimmung, die sich alsbald verbreitet zieht sich durch das gesamte Buch. "Der Reisende", geschrieben von Ulrich Alexander Boschwitz, selbst Jude, kann als eine der frühesten fiktionalen Aufarbeitungen der Novemberprogrome 1938 gesehen werden.


Silbermann versucht seinen Sohn erreichen, der ihm und seiner Frau Ausreisepapiere nach Frankreich besorgen soll. Sein Vermögen will er flüssig machen. Selbst sein Haus verkauft er schließlich zu einem Spottpreis. Der Abschluss dieses Geschäfts wird jedoch durch das Eindringen von Antisemiten gestört. Silbermann flieht durch den Hinterausgang und beginnt seine unfreiwillige Reise.


Auf zum Bahnhof. Billet lösen. Sein erster Weg führt zu seinem Geschäftspartner Becker. Um sein Vermögen zu retten. Dieser prellt ihn um die Hälfte. Mit nichts als einer Aktentasche und einem packen Geld darin reist Silbermann nun quer durch Deutschland. Gehetzt von den dunklen Mächten seiner Zeit. Wie die Geschichte endet möchte ich nicht verraten, denn sie ist absolut lesenswert, da sie fast wie eine Erzählung aus erster Hand wirkt. Nur soviel: Zermürbend wird einem bewusst wie sehr die späteren "Befreier" am Anfang dieser Tragödie die Augen verschlossen haben.


Ulrich Alexander Boschwitz selbst war deutscher Jude. 1938 war er gerade einmal 23 Jahre alt. Zum Zeitpunkt der Novemberprogrome war er allerdings schon nach Belgien geflüchtet, wo die Romanskizze zu Otto Silbermann entstand. Boschwitz Schicksal ist trotzdem nicht weniger ergreifend als das seiner Romanfigur. Er flüchtete weiter nach England, wo er jedoch als "enemy alien" interniert und nach Australien verschifft wurde. 1942 sollte er aus dem Internierungscamp wieder zurück nach England gebracht werden. Das Schiff mit den Kriegsgefangenen wurde jedoch von einem deutschen U-Boot torpediert. Boschwitz starb mit nur 27 Jahren.


Aufgrund seines jungen Alters und seines eigenen Schicksals fände ich "Der Reisende" auf jeden Fall auch eine geeignete Lektüre für den Deutsch- und/oder Geschichteunterricht in der Oberstufe.


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