K. Werner
"Und Nietzsche weinte" - Irvin D. Yalom
Das Wien des Fin de siécle - die Geburtsstunde der Psychoanalyse. Yalom erzählt vom fiktiven Aufeinandertreffen von Josef Breuer und Friedrich Nietzsche.

Auf "Und Nietzsche weinte" von Irvin D. Yalom stieß ich durch die Empfehlung eines besonderen Menschen. Erzählt wird darin die Geschichte eines fiktiven Aufeinandertreffens des Philosophen Friedrich Nietzsche und des Arztes Josef Breuer, der als Mitbegründer der Psychoanalyse gilt. Eingefädelt wird dieses fiktive Treffen von Lou Salomé, einer russischen Intellektuellen, die sich Sorgen um Nietzsches Gesundheit macht. Nietzsche hatte ich gelesen als ich 17 Jahre alt war, weshalb mich die Idee, ihm auf literarische Weise wieder zu begegnen, reizte.
Es war das letzte meiner Bücher, das ich im Sommerurlaub am Meer in Rimini begann. Irgendwie passend, denn auch Yaloms Geschichte beginnt in Italien, in Triest, wo Lou Salomé den Wiener Arzt Josef Breuer aufsucht und ihn dazu bewegt den Fall Nietzsche zu übernehmen. Der Philosoph und der Arzt treffen später in Wien aufeinander. Nietzsche sträubt sich jedoch zunächst gegen eine Behandlung. Dieser eiserne Widerstand wird auch in der Erzählung greifbar: ein dichtes Hin und Her, ein Pro und Contra zwischen Arzt und Patient. Das ist der anspruchsvollste Teil der Lektüre, denn in der Geschichte scheint hier wenig Bewegung zu sein oder vorwärts zu gehen...es ist eher wie ein sich gegenseitiges Belauern von zwei geistigen Größen. Ein intellektuelles Armdrücken.
Erst nach einem heftigen Migräneanfall Nietzsches, bei dem Breuer quasi als Lebensretter fungiert, willigt Nietzsche ein sich von Breuer wirklich behandeln zu lassen. An diesem Wendepunkt der Geschichte ändert sich jedoch auch das Verhältnis der beiden zueinander. Breuer legt es als List an, dass nicht er Nietzsche sondern dieser den Arzt behandeln solle, der unter einer handfesten Midlifecrisis leidet. Breuer quält nämlich sein Verhältnis zu Bertha von Pappenheim, die in der psychoanalytischen Literatur als Anna O. Bekanntheit erlangt hat. Breuer möchte ausbrechen aus seinem Leben und sieht in Bertha, deren Behandlung er jedoch auf Wunsch seiner Frau abgebrochen hat, seine Erlöserin. Erst nach und nach enthüllt sich jedoch, dass für Breuer seine Besessenheit von Bertha nicht das eigentliche Problem ist.
Bücher können einem immer wieder wie ein Spiegel neue Blickwinkel auf das eigene Selbst zeigen. Ähnlich wie in einem Spiegelkabinett sind diese Aspekte jedoch nicht immer klar und frei von Verzerrungen. "Und Nietzsche weinte" von Irvin D. Yalom ist ein solches Buch und sei all jenen empfohlen, die den Mut zu einer solchen Reise ins psychologische Spiegelkabinett haben und nebenbei viel über die Anfänge der Psychoanalyse lernen möchten. Weshalb Nietzsche am Ende weinte werde ich jedoch nicht verraten ;-)